In
Dessau, eine Nacht im Bauhaus-Ateliergebäude, wo man sich einmieten kann. Überraschenderweise steht im
Ehrlich-Zimmer, wo Franz Ehrlich 1927-1930 studiert hat,
die Kommode aus dem Wohnzimmer meiner Eltern! Er hat nämlich die
Wohnraummöbel-Typenserie 602 in den 50ern für die Deutschen
Werkstätten Dresden-Hellerau entworfen, massive Kästen mit
spitzen Füßen und Muldengriffen an den Schubladen (auf
die man sich so schön stellen konnte, einer ist uns dabei abgebrochen). Jetzt stehen schon die Möbel meiner Eltern im Museum!
Aber noch viel Spektakulärer ist der Fußboden, auf dem man am
liebsten die ganze Zeit mit nackten Füßen rutschen will. Ist das polierter Beton? Ich frage einen
Mann mit Hausmeister-Ausstrahlung nach dem Fußboden und erfahre, daß
es sich um "Steinholz-Estrich" handelt, da wird Holz beigemischt, eigentlich ein
Industrieboden ("Xylolith", oder noch schöner
"Dresdament"). Dieser
Bodenbelag ist fußwarm, atmungsaktiv, trittsicher,
trittschalldämmend, feuerhemmend sowie roll- und druckfest (warum
gibt es dann überhaupt noch andere Fußböden?) Da
brauche man aber beim Verlegen "Dehnungsfugen", sagt er, und ich nicke verständig. Erwachsene Männer haben immer so tolle Spezialwörter. Der lange Flur, da sei das
schwierig, da gebe es Querrisse. Na, die finde ich ja gerade schön.
Ich
bin jetzt für heute auf Fußböden geeicht und deshalb fällt mir im
Meisterhaus von Klee und Kandinsky eine Treppenstufe auf, die aus dem
Rahmen fällt, das wird doch nicht der alte DDR-PVC-Belag sein? Haben sie das übersehen? Dieses irre Muster, es war ja immer dem Zufall überlassen, welches Muster man in seiner Wohnung bekam, wie bei den Tapeten, je nachdem, was gerade da war. Nein, erfahre ich, sie nennen das ein "Zeitfenster", auch bei der
Tapete sieht man an einer Stelle DDR-Rauhfaser. Das Haus war zu Ostzeiten
vermietet, unten war eine neurologische Praxis drin. Das Gropius-Haus
war sogar zerstört, da hatte man auf dem Sockel ein Einfamilienhaus
gebaut. Die Amerikaner haben Dessau ja wegen der Junkers-Werke
zerbombt, nachdem die Nazis schon überall aus den "undeutschen" großen Fenstern kleine Fenster gemacht hatten, sie hetzten gegen diese "orientalische" Bauweise, vor allem gegen die flachen Dächer. Solche PVC-Böden,
wie man die früher gebohnert hat, darüber komme ich mit der Dame ins Gespräch.
Da gab es solche länglichen Würste mit Bohnerwachs drin, weiß oder
weinrot, aus Wittenberg "Schnellglanz Wittol". Sie wundert
sich, daß ich noch weiß, was bohnern ist, und daß ich auch die
schweren "Blocker" noch kenne, mit denen man das machte.
Aber ich war doch bei der Armee, da haben wir nichts anderes gemacht,
sogar bei den Fliesen im Flur. Eine Schikane war, auf den Blocker
eine brennende Kerze zu stellen, die nicht ausgehen durfte. In der
Neubauwohnung haben wir für den Fußbodenbelag auf den
Hausflurtreppenstufen so ein scharfes, weißes Mittel benutzt, das war bestimmt halluzinogen. Das
Zeitfenster steht weit offen für mich. Ich finde auch, man hätte
das Gropiushaus nicht wieder aufbauen müssen, es ist sowieso nicht
das Original. Die anderen drei Meisterhäuser reichen doch, es wäre
interessanter mit dem DDR-Haus auf dem Bauhaus-Sockel.
Bei
McDonalds lausche ich dann zwei jungen Bundeswehrsoldaten, die haben auch so seltsame Wörter und Abkürzungen. Der eine
mußte unvorbereitet einen Zug führen, und dann wurden "drei
Lagen eingespielt". Eine Lage scheint so etwas zu sein wie bei
uns ein "Vorkommnis". Plötzlich habe da wer im Gelände mit dem Handy telefoniert, das war eine "Lage". "Ich durchs DF geguckt". Aber da habe er sich
erinnert, daß man bei Kampfmitteln maximal 200 Meter Abstand hält. Ich würde sie gerne fragen, ob sie noch bohnern? Aber die haben heutzutage bestimmt Putzkräfte.
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