Dienstag, 27. September 2011
Strehaia, August '08
Wir nahmen den Zug, um in einer Kleinstadt Paläste zu sehen, wie sie sich reiche Roma im ganzen Land bauten, manchmal standen sie so dicht an dicht, daß man sich fragte, warum in unseren Einfamilienhaussiedlungen die Häuser nicht die ganze Breite des Grundstücks einnahmen. Von weitem sah man schon die übereinander gestapelten silbernen Dächer, die an Pagoden erinnerten. Die Popularität dieser Bauweise könne mit dem frühen Jazz verglichen werden, las ich. Das Bedürfnis nach einer Identität, die Unbefangenheit gegenüber den Konventionen, das Vergnügen an der Nachahmung, die Aneignung von brauchbaren Versatzstücken, der Dialog mit einem wachsenden Publikum, die negative Werbung durch den Ruf einer Unkultur. Ein Gebäude hieß "Vila Mitea", das konnte der Name des Besitzers sein, aber vielleicht hieß das Haus ja wirklich "Villa Schmiergeld". Im Dachfirst stand "Mitea Bulibaşa für Florin". "Bulibaşa" kam aus dem Türkischen und bedeutete "Scharführer", so hieß der Anführer einer Gruppe Roma. Was bedeuteten die silbernen Tränen im Dachfirst? Es gab Häuser, die die grünen Dachziegel von McDonalds-Filialen kopierten, bei diesem hier, das vergleichsweise gediegen wirkte, hatte man wohl an ein Tiroler Chalet gedacht, allerdings mit zwei Garageneingängen. Die schmale Eingangstür führte auf eine breite Marmortreppe, auch der Zaun war aus Marmor. Der Reichtum der Besitzer solcher Häuser sollte aus dem Handel mit Altmetallen stammen. Die Gullydeckel in der Gegend waren deshalb mit Bewehrungsstahl am Boden verankert worden. Ein Detail irritierte mich, denn die Streben der hölzernen Balkonbrüstung ähnelten auffällig dem Schlüsselhalter, den ich in der Unterstufe im Werkunterricht gebastelt hatte. Ein Beispiel für die parallele Entstehung von Kultur in ganz unterschiedlichen Kontexten, für die es bestimmt einen schönen Fachbegriff gibt.
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1 Kommentar:
Je nach Bewusstseinsgrad des Abkupferns… archetypische oder plagiatorische Kultur.
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