Der
Sozialismus hat ja die christliche Verheißung durch die Vorstellung
von einer gerechten Gesellschaft ersetzt, die es, von den Klassikern
wissenschaftlich bewiesen, in der Zukunft geben würde. Im Kosmos
konnte man sozusagen schon in der Gegenwart in die Zukunft reisen,
Science-Fiction-Literatur war äußerst populär, manchmal
versteckten sich in der Beschreibung seltsamer Zustände auf anderen
Planeten sogar Ansätze von Gesellschaftskritik. Das überaus
präsente Bildprogramm der Kosmonautik hatte den Vorteil maximaler
Wissenschaftlichkeit und Technikeuphorie in Verbindung mit
quasireligiösen, metaphysischen Inhalten, wie einer extremen
Überhöhung des modernen Menschen, vor allem in Gestalt von Gagarin,
der als eine Art Ersatz-Jesus bereit war, sein Leben für die
Menschheit zu opfern (was er in der Erzählung von seinem Tod dann
auch tat). Ich glaube nicht, daß die Kosmonautik in der DDR so
populär war wie in der Sowjetunion, aber man war ungeheuer stolz auf
den ersten Deutschen im All und auf die Multispektralkamera vom VEB
Carl Zeiss Jena, mit der man, gerüchteweise, durch Kleidung gucken
konnte. Die Chance, Raumfahrer zu werden, war ja sehr gering, aber
darauf einstimmen konnten sich Kinder in Kosmonautenzentren, nach
russischem Vorbild. Das im heutigen FEZ heißt inzwischen aus
unerfindlichen Gründen "orbitall", das in Chemnitz heißt
aber immer noch Kosmonautenzentrum "Sigmund Jähn", es
stammt von 1964 und ist als einziges vom Konzept her "von Kindern
für Kinder", d.h. die Kinder werden von Kindern angeleitet. Es
gibt dort eine rührende Sammlung von selbst gebastelten Raumschiffen
(eine Apollo-Sojus-Kopplung!), man muß Reaktionstests bestehen und
einen Schleudersitz besteigen, Gerätschaften, die noch von früher
stammen und herrlich Patina angesetzt haben. Der Höhepunkt ist die halbstündige Fahrt im Cockpit eines Raumschiffs, das sich, eine Besonderheit, wie
mir versichert wurde, als einziges Cockpit eines Kosmonautententrums "direkt unter einer 35 Meter hohen Rakete befindet" (auf der seit der
Renovierung nicht mehr "V. Pioniertreffen" steht). Ein
Rückstoß-Experiment mit einem "kosmischen" und einem
"irdischen" Hammer wird vom Bordingenieur vorgeführt und der Bordarzt mißt
den Puls, nachdem man Kniebeugen gemacht hat. Daß der Flug noch von einem Z9001-Heimcomputer gesteuert
wird, an dem ich schon in der Schule BASIC gelernt habe, hat mich
natürlich gefreut, und die russischen Essentuben mit einem
Apfelsinen-Moosbeeren-Getränk und Quark sind sogar noch älter,
aber, wie mir die jugendliche Besatzung erläutert hat, die würden
ja nicht schlecht. "Wollt ihr denn auch Kosmonauten werden?",
habe ich den Bordinarzt gefragt. "Ich könnt mirs vorstellen,
wenn mir keine andere Berufswahl zur Verfügung steht." Die
Buche rechts vom Zentrum wurde übrigens von Waleri Bykowski und
Sigmund Jähn gepflanzt.
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