Bei
Spitznamen, die die Bevölkerung irgendwelchen auffälligen Objekten
der Stadtmöblierung gegeben hat ("Telespargel",
"Zitronenpresse", "Weisheitszahn",
"Elefantenklo"), bin ich immer mißtrauisch, ob die
wirklich je benutzt wurden. Die "Flamme der Revolution",
die 1967 in Halle zum 50.Jahrestag der Oktoberrevolution aufgestellt
wurde, hieß im Volksmund angeblich "Betonroulade", was
aber ganz gut passen würde. Offensichtlich hat man mit der
beeindruckend monumentalen und elegant-dynamischen
Stahlbetonkonstruktion nach der Wende nichts mehr anfangen können,
sich ihrer aber auch nicht entledigen wollen. Wie geht man mit dem
ungeliebten Erbe um? Was macht man mit einem ehemaligen
Aufmarschplatz? Man hat sich für eine sehr unspektakuläre Lösung
entschieden, eine Tiefgarage, ein Dönerstand, und von hinten drängt
sich ein häßlicher Neubau der Sachsen-Bank an die Flamme, wodurch
der Raumeindruck verloren geht. Der Versuch, die dominante rote
Flamme durch ein Muster von Farbquadraten irgendwie
umzuinterpretieren oder die provokative Wirkung der symbolisch
besetzten Farbe zu entschärfen, ist als Experiment vielleicht
verständlich, aber dann hätte man sie lieber mit Efeu bepflanzen
sollen. Rot dürfen heute anscheinend nur noch die
Coca-Cola-Sonnenschirme sein. Es gibt auch kein Hinweisschild auf den
Namen oder die Geschichte des Monuments. Wenn man in die
Schneckenwindung steigt, sieht man, daß die Oberfläche über und
über bedeckt ist mit Edding-Inschriften von Jugendlichen, was nun
wieder gut zur Inszenierung paßt. Aus den Inschriften spricht ein
geradezu manisches Interesse am Geschlechtlichen, für das die armen
Pubertierenden hier ein Forum gefunden haben. Wir haben das ja als
Kinder genauso gemacht, allerdings hatten wir keinen Edding, sondern
nur Kieselsteine, und mit denen schrieben wir in von Bauarbeiten
liegengebliebene Kanalröhren. Für zukünftige Sprachforscher, die
sich für gesprochene Sprache interessieren, ist das Gold wert, eine
der wichtigsten Quellen für das gesprochene Latein sind ja die
versauten Inschriften an den Mauern von Pompeji. Also, weiter so!
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