Donnerstag, 19. März 2015

Flamme der Revolution



Bei Spitznamen, die die Bevölkerung irgendwelchen auffälligen Objekten der Stadtmöblierung gegeben hat ("Telespargel", "Zitronenpresse", "Weisheitszahn", "Elefantenklo"), bin ich immer mißtrauisch, ob die wirklich je benutzt wurden. Die "Flamme der Revolution", die 1967 in Halle zum 50.Jahrestag der Oktoberrevolution aufgestellt wurde, hieß im Volksmund angeblich "Betonroulade", was aber ganz gut passen würde. Offensichtlich hat man mit der beeindruckend monumentalen und elegant-dynamischen Stahlbetonkonstruktion nach der Wende nichts mehr anfangen können, sich ihrer aber auch nicht entledigen wollen. Wie geht man mit dem ungeliebten Erbe um? Was macht man mit einem ehemaligen Aufmarschplatz? Man hat sich für eine sehr unspektakuläre Lösung entschieden, eine Tiefgarage, ein Dönerstand, und von hinten drängt sich ein häßlicher Neubau der Sachsen-Bank an die Flamme, wodurch der Raumeindruck verloren geht. Der Versuch, die dominante rote Flamme durch ein Muster von Farbquadraten irgendwie umzuinterpretieren oder die provokative Wirkung der symbolisch besetzten Farbe zu entschärfen, ist als Experiment vielleicht verständlich, aber dann hätte man sie lieber mit Efeu bepflanzen sollen. Rot dürfen heute anscheinend nur noch die Coca-Cola-Sonnenschirme sein. Es gibt auch kein Hinweisschild auf den Namen oder die Geschichte des Monuments. Wenn man in die Schneckenwindung steigt, sieht man, daß die Oberfläche über und über bedeckt ist mit Edding-Inschriften von Jugendlichen, was nun wieder gut zur Inszenierung paßt. Aus den Inschriften spricht ein geradezu manisches Interesse am Geschlechtlichen, für das die armen Pubertierenden hier ein Forum gefunden haben. Wir haben das ja als Kinder genauso gemacht, allerdings hatten wir keinen Edding, sondern nur Kieselsteine, und mit denen schrieben wir in von Bauarbeiten liegengebliebene Kanalröhren. Für zukünftige Sprachforscher, die sich für gesprochene Sprache interessieren, ist das Gold wert, eine der wichtigsten Quellen für das gesprochene Latein sind ja die versauten Inschriften an den Mauern von Pompeji. Also, weiter so!

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