Dienstag, 10. März 2015

Robinson-Design



 




Was wir Design nennen, ist nur eine Spezialveranstaltung für einen kleinen Teil der Menschheit, die Mehrheit lebt wie Robinson auf seiner Insel und bastelt sich Gebrauchsgegenstände aus Materialien, die von der "Zivilisation" angeschwemmt werden. Ich finde diese Lösungen poetisch, es steckt immer ein überraschender Gedanke darin. Man braucht Phantasie, um in einer Form eine andere zu entdecken, und das ist doch eigentlich schon wieder Kunst. Außerdem hat es etwas Subversives, wenn unsere Formen einfach uminterpretiert werden. Die Robinsons leben in der Dritten Welt, oder mitten unter uns in unseren Städten, aber die DDR war auch so eine Insel, und das Zentralorgan hieß nicht "Neues Deutschland", sondern "Practic", die Zeitschrift, in der Leser Basteltips veröffentlicht haben. Z.B. wie man aus einer Schultüte (heißt es im Westen "Zuckertüte", oder ist das regional?) und Holzostereiern, an denen offenbar kein Mangel herrschte, einen Papierkorb baut. Ähnlich ingeniös ein Obdachloser in Dublin, der für sich aus aufgeblasenen Plastetüten eine praktische Sitzgelegenheit gebastelt hat. In China gesehen, ein alter Stuhl, der zum Rahmen für einen Grill-Ventilator wird. Istanbul, an der Hagia Sophia, Straßenkehrer benutzen Kehrschaufeln, die sie aus Plastekanistern zurechtgeschnitten haben. Oder ein Spiegel, der an einer alten Krücke befestigt wird, so lassen sich die Autos der Besucher der deutschen Botschaft in Istanbul von unten kontrollieren. Und schließlich Kinder in Marokko (Essaouira), die sich aus dem unteren Teil eines alten Staubsaugers ein Spielzeugauto gebaut haben, das sie an einer Schnur hinter sich herziehen.

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