Daß
man seinen Kindern seine alte Schule zeigen kann, ist heute im Osten
schon fast das Privileg einer Minderheit, so viele sind schon
abgerissen worden. Dabei ist die alte Schule doch so etwas wie die
Mutter, die sollte man noch möglichst lange besuchen können. Meine EOS ist inzwischen eine
moderne Stadtbibliothek, innen total umgebaut, nur an der
Notausgangtreppe habe ich sie wiedererkannt. Das Foyer mit dem Bild
von Richard Sorge, der immer ein bißchen wie Spock aussah, ist verschwunden. Beim 3000-Meter-Lauf ging es 15 Mal ums Gebäude, ob das
je korrekt vermessen worden ist? Meine POS ist geschlossen, und ich
habe immer Angst, daß sie weg sein könnte, wenn ich mit
der S-Bahn vorbeifahre. Vielleicht sollte ich mal die Lehrer
besuchen? Man denkt ja immer, deren Leben hätte aufgehört, sobald
man aus der Schule war. Überlebt hat nur die finstere
Altbauschulburg, wo ich eingeschult worden bin und mir in der ersten
Klasse die Schneidezähne an der Kante einer Schulbank eingerannt
habe. Aber weil es in der DDR einheitliche Schultypen gab, finde ich
eigentlich überall im Land immer noch Schulen, die aussehen wie
meine (und sicher auch in Angola und auf Kuba.) Nur manchmal hängt an der Fassade vom Treppenhaus ein
abstraktes Keramik-Bild mit Friedenstaube und Hammer und Sichel, wie
in Leipzig-Grünau. Bei Neubauschulen hatte man per Gesetz einen
Schulweg von höchstens wenigen hundert Metern. Jeder Raum hatte den
ganzen Tag Sonnenlicht. Die Gebäude waren gut, ich habe nur manchmal
diesen Alptraum erlebt, daß ich nicht mitbekommen hatte, in welchem
Raum die nächste Stunde war und durch die ganze Schule irrte, auf
der Suche nach jemandem aus meiner Klasse, aber das war meiner
Schusslichkeit geschuldet. In Leipzig-Grünau stehen drei Schulen vom
selben Typ hintereinander. Zwei sind in keinem sehr guten Zustand. Wenigstens die Grünanlagen hätten wir als Schüler selbst gepflegt. Die
dritte steht schon leer und wird sicher abgerissen. Dahinter steht
bereits ein aus Abrißbeton von Plattenbauten gebauter Kletterberg,
da könnten ja noch mehr dazukommen, bis eine "Leipziger
Schweiz" entsteht. Vielleicht wäre es auch eine Idee, allen
Alumnis zu erlauben, ihre eigene Schule an einem langen Wochenende selbst einzureißen und in Staub zu verwandeln, um nicht
länger nachts vom Zuspätkommen und vergessenen Hausaufgaben zu
träumen?
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