Dienstag, 24. März 2015

Schulen





Daß man seinen Kindern seine alte Schule zeigen kann, ist heute im Osten schon fast das Privileg einer Minderheit, so viele sind schon abgerissen worden. Dabei ist die alte Schule doch so etwas wie die Mutter, die sollte man noch möglichst lange besuchen können. Meine EOS ist inzwischen eine moderne Stadtbibliothek, innen total umgebaut, nur an der Notausgangtreppe habe ich sie wiedererkannt. Das Foyer mit dem Bild von Richard Sorge, der immer ein bißchen wie Spock aussah, ist verschwunden. Beim 3000-Meter-Lauf ging es 15 Mal ums Gebäude, ob das je korrekt vermessen worden ist? Meine POS ist geschlossen, und ich habe immer Angst, daß sie weg sein könnte, wenn ich mit der S-Bahn vorbeifahre. Vielleicht sollte ich mal die Lehrer besuchen? Man denkt ja immer, deren Leben hätte aufgehört, sobald man aus der Schule war. Überlebt hat nur die finstere Altbauschulburg, wo ich eingeschult worden bin und mir in der ersten Klasse die Schneidezähne an der Kante einer Schulbank eingerannt habe. Aber weil es in der DDR einheitliche Schultypen gab, finde ich eigentlich überall im Land immer noch Schulen, die aussehen wie meine (und sicher auch in Angola und auf Kuba.) Nur manchmal hängt an der Fassade vom Treppenhaus ein abstraktes Keramik-Bild mit Friedenstaube und Hammer und Sichel, wie in Leipzig-Grünau. Bei Neubauschulen hatte man per Gesetz einen Schulweg von höchstens wenigen hundert Metern. Jeder Raum hatte den ganzen Tag Sonnenlicht. Die Gebäude waren gut, ich habe nur manchmal diesen Alptraum erlebt, daß ich nicht mitbekommen hatte, in welchem Raum die nächste Stunde war und durch die ganze Schule irrte, auf der Suche nach jemandem aus meiner Klasse, aber das war meiner Schusslichkeit geschuldet. In Leipzig-Grünau stehen drei Schulen vom selben Typ hintereinander. Zwei sind in keinem sehr guten Zustand. Wenigstens die Grünanlagen hätten wir als Schüler selbst gepflegt. Die dritte steht schon leer und wird sicher abgerissen. Dahinter steht bereits ein aus Abrißbeton von Plattenbauten gebauter Kletterberg, da könnten ja noch mehr dazukommen, bis eine "Leipziger Schweiz" entsteht. Vielleicht wäre es auch eine Idee, allen Alumnis zu erlauben, ihre eigene Schule an einem langen Wochenende selbst einzureißen und in Staub zu verwandeln, um nicht länger nachts vom Zuspätkommen und vergessenen Hausaufgaben zu träumen?



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