Das
Schwedter Theater mit seiner braun verspiegelten Fensterfront wird
neuerdings von einer dreidimensionalen Illusionsmalerei entwertet,
die das Dachgeschoß ziert, eine breite, von Menschen bevölkerte
Treppe. Nicht weniger schlimm finde ich aber die an die Fassade
geklebten, kursiven Buchstaben "Uckermärkische Bühnen
Schwedt", die aussehen, wie mit Word gesetzt und vergrößert.
Bei so etwas fängt für mich die Barbarei an, als gäbe es keine
talentierten Typographen im Land. Auf dem Vorplatz steht eine Stele
mit dem Pablo-Neruda-Zitat: "Erhaben ist des Volkes Triumph. Unter seinem Schritt gewaltigen Sieges die blinde Kartoffel und die
himmlische Traube erglänzen auf Erden." Wir ziehen an der Tür
vom Theater, sie ist offen. Techniker kommen uns entgegen, wir gucken
traurig, das wirkt dann immer so, als hätte man zu tun, tatsächlich
spricht uns niemand an, so gelangen wir bis zum Zuschauerraum, in dem
wir alleine sind, vermutlich könnten wir hier sogar ein Stück
inszenieren ohne aufzufallen. Im oberen Foyer hängen sehr
interessante Deckenleuchten, wie aus Ofenrohren gebastelt, in Berlin
wäre so ein Ort längst eine "location", hier wird er mit Ostereiern geschmückt. Mein Schwedter
Horchposten zieht einen Vorhang zur Seite, dahinter kommt ein
meterlanges Wandbild von Roland Paris zum Vorschein, "Triumph
des Todes, Triumph des Lebens" von 1977. Der Intendant wäre es
wohl gerne losgeworden, aber es paßte nicht durch die Tür, deshalb
hat man es verhängt. Der Blick aus dem Fenster auf die Hauptstraße,
eine imposante Sichtachse. Die Straße sei so breit, weil die Häuser
im Krieg zerstört waren, und es billiger war, die neuen seitlich zu
versetzen, statt auf den alten Kellern Fundamente zu errichten. Im
Fluchtpunkt der Straße sieht man die Anlagen des PCK Schwedt, genau
wie in Eisenhüttenstadt bei der Magistrale und dem Stahlkombinat.
Stadt und Fabrik, das eine würde es ohne das andere nicht geben. Für
mich war "Schwedt" allerdings immer ein fester Begriff:
"Dafür kommst du nach Schwedt", also in den Armeeknast,
wenn man z.B. beim Wachdienst seine Waffe verbummelte oder einen
Vorgesetzten ohrfeigte. Im Rücken des Theaters beginnt der
Nationalpark Unteres Odertal, der den Hintergrund für eine Freilichtbühne bildet. Hier könnte man Hamlet spielen, und Ophelia treibt im echten Fluß
davon. Aber erst einmal wird demnächst "Stahlzeit – die
spektakulärste Rammstein-Tribute-Show" zu sehen sein, und bald
darauf das Orchester Holger Mück "Egerländer Blasmusik aus
Leidenschaft".
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