Am
Ortseingang von Neruruppin ein rostender Fortschritt-Mähdrescher,
die großen Reifen platt. Das Erste-Qualität-Symbol. In der Pension
hängen Werbewandkalender: "Huck - Hebebänder, Rundschlingen
und Zurrgurte." Dieser tolle Spezialwortschatz der arbeitenden
Bevölkerung. Im Neuruppiner Museum eine Ausstellung über ein
Kinderferienlager des MfS in dieser Gegend, die Lageskizze des
"Kinderspielplatzes" mit MG-Nest und Laufgraben. Da kann
man froh sein, wenn die eigenen Eltern in einem normalen Betrieb
gearbeitet haben. Nachts durch die Straßen, im Schaufenster eines
Haushaltgeräteladens ein schöner, alter Omega-Staubsauger, von
Wolfgang Dyroff gestaltet. Die Jugend trifft sich am Marx-Kopf, aber
ob sie noch "Kofferheulen" haben, wie früher? Am nächsten
Tag im Restaurant am Tempelgarten, mit historischem Wintergarten und
sachlichem DDR-Anbau: "Auf den könnwa bei Feiern nicht
verzichten." Eine Gruppe Rentnerinnen: "Nu sind die Blätter
ja weg." "Also untern Birken lagen se so dick."
"Ick hab janz schön zu tun jehabt." Auf der Karte steht:
"Das Essen muß zuerst das Auge und dann den Magen erfreuen."
Goethe, der war schon manchmal tiefsinnig. Hinter der Kulturkirche,
der 1971 entwidmeten ehemaligen Pfarrkirche Sankt Marien, stehen noch
drei Brandenburger Bushäuschen, von Schülern bemalt, wodurch die
schönen Kacheln nicht mehr richtig zur Geltung kommen. Die Kirche
ist nach dem großen Brand 1787 gebaut worden, der die Chance bot,
die Stadt nach Prinzipien der Aufklärung, großzügige Straßen,
Plätze für die Luftzirkulation, vielfältige Laubbäume, Bildung,
Gewerbe, dezente Farbgebung, maßvoll zufriedene Bürger, zur
"preußischsten aller Städte" wieder aufzubauen. Vitruv:
firmitas (Dauerhaftigkeit), utilitas (Bequemlichkeit), venustas
(Wohlgestalt). Alles heute bei Neubauten in der Regel vollkommen
unbekannt. Katalog einer Moritz-Götze-Ausstellung mit Variationen
des Peter im Tierpark-Bilds. "Ditt hing damals in jedem
Kindergarten, in jedem Krankenhaus", wird mir versichert, aber
ich weiß das ja noch, wir haben es in Zeichnen abgemalt. "In
New York haben se dem die Bilder mit Haken aus de Wand jerissen, na
ick hab zu Moritz jesagt, ditt is, weil die so bunt sind, und für
die Amis sind ditt Comics", erfahre ich. Jemand hat ein Bild von
einem blonden Mädchen am Strand gekauft, so mit rumliegender
Coladose. "Für meine Tochter, wenn sie 18 wird, bei der im
Zimmer siehts nämlich genauso aus", sagte der Käufer. Armin
Müller-Stahl ist hier aufgetreten und hat Tom Hanks aus Berlin
herantelefoniert. "Da mußte ick für den zum Bäcker, Tom ißt
so jerne Streuselkuchen mit Füllung, wußtick ooch nicht."
Nach
Kyritz, ein Trabi auf einem Metallmast, offenbar mit einem
Storchennest auf dem Dach, der muß noch nachsitzen. Herrliche
Schweiß-Zäune. Sonnenblumenmotive. Eine freiwillige Feuerwehr,
Kinder haben eine Robur-Feuerwehr an die Wand gemalt. Das
Agrarflugmuseum Kyritz hat leider schon zu, auf dem Gelände zwei
Leipziger Peitschenleuchten mit kühn gebogenem Mast, noch nie
gesehen. "Pferdedeckenreinigung" wirbt ein Schild in
Gottberg. Ein Haus mit auffälligem Wellendach, von welcher
DDR-Baustelle der Besitzer das wohl abgezweigt hat? In Dabergotz im
Antikhof. Eine Zuckerzange mit Greifer haben sie leider nicht. Wie
ordentlich das hier ist … "Ja, manche fahren mit dem Laster
hinten ran und kippen einfach alles aus." Leider ist der
einbeinige, silberne Aschenbecher nicht zum Verkauf.
1 Kommentar:
Hallo Jochen, schön war dein Besuch in unserer neuen oder doch alten Heimat. Die Stadt macht sich fein, und kein Stein soll mehr auf dem anderen sein, aber dennoch wissen wir woraus sie gemacht wurde. Komm mal wieder kicken, det wär dufte!
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