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Mittwoch, 25. Februar 2015

Großplattenbauweise


Woran erkennt man heute, daß man im Osten oder im Westen Deutschlands ist? In Berlin kann man da schon durcheinanderkommen, vor allem, wenn man hauptsächlich aufs Straßenpflaster guckt. Für viele Westdeutsche ist der "Plattenbau" (ich schreibe das in Anführungsstrichen, weil es fachlich korrekt "Großplattenbauweise" heißen müßte, und weil man bei uns im Osten, meiner Meinung nach, immer "Neubau" gesagt hat, manche halten "Plattenbau" sogar schon für einen politischen Kampfbegriff), Inbegriff des ostdeutschen Bauens und damit Scheiterns. Dabei ist diese Bauweise viel älter als die DDR und wurde weltweit angewendet. Würde man das Gebäude im Bild dem Osten oder dem Westen zuordnen? Dazu muß man sich schon gut auskennen, die meisten würden sicher eher auf Osten tippen, dabei steht das Haus in Dortmund. Offenbar steht es leer und wird vielleicht abgerissen. So etwas wird ja heute schnell zum Schandfleck erklärt, was schon kühn ist, wenn man sich die Dortmunder Innenstadt ansieht, die gar keine Innenstadt mehr ist, sondern eine "City", ein Unort, wie sie Hannelore Schlaffer in "Die City – Straßenleben in der geplanten Stadt" so schön beschrieben hat. Es war einfach irgendwann zuviel Geld da, und deshalb sieht es jetzt billig aus. Daß man in Zukunft in einer Stadt wie Berlin, anders als in London oder Paris, noch zentrumsnah mieten können wird, liegt paradoxerweise an den "Bausünden" der DDR, weil damals mitten im Zentrum Plattenbauten errichtet wurden, wo heute für private Bauherren angeblich nur noch Townhäuser und ähnlicher Eigentumswohnungsbau "rentabel" sein würden. Deshalb müssen die Plattenbauten dort auch verschwinden, wie es in der Wilhelmstraße geplant ist, selbst wenn die Mieter gar nicht ausziehen wollen. Das ästhetische Argument, das dann immer bemüht wird, denn es handelt sich ja um "sozialistische Bausünden", ist angesichts dessen, womit diese ersetzt werden, völlig absurd, aber eben auch in sich, denn die Großplattenbauweise war keineswegs eine sozialistische Besonderheit, wenn sie auch in den Ländern des Ostblocks besondere Bedeutung hatte.

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