Montag, 19. September 2011

Băile Herculane, August 2008



In einer so benutzerfreundlichen und daher durchstandardisierten Gesellschaft wie unserer freut man sich immer über erfrischend alte Design-Lösungen. Den Eindruck von Fremde erzeugen im Ausland nicht nur Sprache und Essen, sondern noch viel stärker ungewohnte Schrifttypen und Leitsysteme. In Ländern wie Frankreich sind diese aber so standardisiert, daß vom Urlaub in der Erinnerung nur ein nie endenwollender Kreisverkehr bleibt. Als ideal gelten Leitsysteme bei uns, wenn wir die Information schnell und ohne Rauschen aufnehmen können, was bei mir immer eine große Traurigkeit erzeugt, man fühlt sich bevormundet und durchgewunken. Ich hätte gerne wieder eine unleserlichere Schrift für die Berliner U-Bahn. Im Südwesten von Rumänien, in Herkulesbad, das schon bei den Römern so hieß, sah ich eine filigrane Schweißarbeit, die offenbar ein Einzelstück darstellte und sich erst nach längerem Studium als Stadtplan entpuppte. Man bekam sofort Lust, dieses Gebilde auf den Boden zu legen, und in den Rinnen der stilisierten Straßen mit Matchboxautos zu spielen. Nicht nur war hier Material gespart worden, dieser Vorläufer von Google-Maps war auch auf eine rührend-analoge Art durchsichtig. Einzelanfertigung, ein Privileg, das bei uns im öffentlichen Raum nur sogenannte Kunstwerke genossen, sollte auch profanen Stadtmöbeln zugestanden werden. Der Handwerker müßte aber eigentlich Automechaniker oder Anlagenbauer sein, damit das Resultat so ungewöhnlich aussieht. Die Namen der angezeigten Hotels "Traian", "Hercules", "Roman", "Apollo", die Bäder "Neptun" und "Diana", die Quelle "Argus", zeugten vom Bestreben der rumänischen Offiziellen, als Erben Roms zu gelten und nicht als Vasallen Moskaus. Nur die "Vila 1.Mai" fiel etwas heraus. Zu diesem Inventar gehörte auch der Dakerkönig Decebal, der nach seiner Niederlage gegen Traian Selbstmord begangen hat. Aber solche Details verloren in 2000 Jahre an Bedeutung, es blieb die Tatsache, daß der große Traian dem kleinen Dakien damals die Ehre erwiesen hat, seine Kräfte mit ihm zu messen. Ob es eines Tages auch in Bagdad das Hotel Hussein neben dem Hotel Bush geben wird?

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