Sonntag, 15. März 2015

GÜST


Als Designer will man sicher Dinge entwerfen, die möglichst lange benutzt werden, wie die Garamond-Schrift. Wenn man eine Grenzübergangs-Stele entwirft, kann man aber das Pech haben, daß der Staat kurz darauf verschwindet und die ganze Arbeit war umsonst. Hinter der ehemaligen Grenzübergangsstelle ("GÜST") Dreilinden sieht man an der Autobahn noch diesen weißen Willkommensgruß der DDR an Westberliner Transit-Autofahrer. Das Loch vom fehlenden Wappen reizt dazu durchzuspringen. Die zeitlos-schöne Form aus Beton ist tatsächlich die Arbeit eines Designers (mehr dazu in: Günter Höhne "DDR-Design – Arbeit, Freizeit, Ferien"). Ich verlasse die Autobahn und fahre durch ein Gewerbegebiet bis zur Stele, dort wird gerade Wald gerodet, vielleicht für ein weiteres Autohaus. Dann gehe ich zu Fuß weiter und erwarte dabei die ganze Zeit, von irgendwelchen Wachleuten, Forstbeamten oder Autobahnpolizisten zurückgepfiffen zu werden, dabei ist das gar kein Privatgelände. Ein Erbe meiner DDR-Kindheit, diese Angst, ein Verbot übersehen zu haben. Manchmal traf man ja bei Waldspaziergängen plötzlich auf Russen, die das Gelände absperrten, weil sie einen Deserteur suchten, da wurde dann nicht viel erklärt, sondern die Waffe entsichert. Mawil wollte mir erzählen, die russischen Soldaten hätten in der DDR am Waldrand immer ein paar Birken gepflanzt, um sich zuhause zu fühlen. Ich würde es für wahrscheinlicher halten, daß sie einfach ein paar Bäume weiß angestrichen haben.

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