Was
ist schön? Was ist häßlich? Und ist das Privatsache? Ich will mit
meinem Urteil niemanden provozieren, und ich würde gerne mehr als
meine subjektive Empfindung als Argumente aufbieten können. Im Bild
sieht man zwei fragwürdige Beispiele aus verschiedenen Epochen, welches schneidet besser ab? Im Osten sieht man immer noch überall dieses
geometrische Muster, Garagen, Gartenzäune, manchmal auch das
einzelne Fenster einer Veranda: immer wieder dieses Trapez und das Sechseck. Wer hat das entworfen? Warum war es in der DDR so
verbreitet? Diese Wand zeichnet sich aber zusätzlich dadurch aus,
daß die Öffnungen mit mindestens fünf Sorten verschieden
geriffeltem Profilglas verschlossen worden sind, einem furchtbaren
Material, vor allem die beliebten, falschen Butzenscheiben. Eine
sozialistische Kirchenfensterkunst. Für mich hat das aber immer noch
Charme, weil man eben nichts anderes hatte damals und sich dieser
Heimwerker sichtlich bemüht hat, mit den zugänglichen Materialien
eine individuelle Lösung zu finden. Außerdem war es wenigstens
ansatzweise Eigenbau und nicht vorgefertigt. Als Abschluß hat er
sogar die rechte Reihe Steine quer vermauert. Das wirkt geradezu
unschuldig gegen das, was man heute im Baumarkt kaufen kann, wie die
andere Wand zeigt, Beton, der gleichzeitig das Profil von
Mauersteinen und einen Gartenzaun aus Holz imitiert, mit scheußlichen, historisierenden Schnörkeln. Seit 1909 wurden von Gustav E. Pazaurek im Stuttgarter
Landesgewerbemuseum in einer "Abteilung für
Geschmacksverirrungen" häßliche Dinge gesammelt und erforscht,
zwei der Kriterien waren "Materialvortäuschung" und
"falsche Exklusivität", was auf den Betonzaun beides
zutrifft. Vielleicht soll er auch nur ein subtiler Schutz gegen
Einbrecher sein, weil man einfach nichts besitzen will, was von so
einem Zaun geschützt wird? Ich glaube, so einen Gegenstand hätte
das Amt für industrielle Formgestaltung in der DDR nicht zugelassen.
Früher wurde nämlich von oben gesteuert, was es im Handel gab, die
Formenvielfalt wurde bewußt ausgedünnt, was natürlich zutiefst
undemokratisch war. Heute kann bei einer unendlichen Auswahl jeder
selbst entscheiden, was er haben will. Man muß wohl lernen, sich an
den häßlichen Dingen zu freuen, weil sie ein Beleg für unsere
Freiheit sind.
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