Freitag, 6. März 2015

Haus für Sport und Freizeit








Das "Haus für Sport und Freizeit" in der Frankfurter Allee, Ecke Bersarinstraße (Bersarin, nicht Bersarin), war ein Fixpunkt meiner Kindheit, schon der Name war genial gewählt und deckte so ziemlich alle meine Interessen ab. Hier habe ich in einer Papiertüte verpackt Schraubstollen für Fußballschuhe gekauft, weil ich hoffte, mir damit aus meinen Stoffidas irgendwie Töppen basteln zu können. Es gab auch Medaillen zu kaufen, gewonnen habe ich ja nie welche, dazu unfaßbar praktische Campingartikel, wie eine Campingkerze in einer aufschraubbaren Dose. Als Kind hatte ich unendlich viele Wünsche, die Wende kam für mich zu früh, um das Gefühl entwickeln zu können, daß mit Geld in der DDR nichts anzufangen sei, dann kaufte man eben im Haus für Sport und Freizeit ein Kanu! Ich habe hier meine Kraxe gekauft, auf einem Kontrollgang nach der Schule entdeckt, zweimal eine Stunde nach Hause und zurück, um das Geld zu holen, in der Hoffnung, daß die Verkäuferinnen die Kraxe, wie versprochen, für mich aufhoben. Die habe ich bis 2000 benutzt, sie hatte so einen praktischen Klappsitz. Schon als Kindergartenkind war das Haus für Sport und Freizeit mein schönstes Ausflugsziel, besser als der Tierpark, die tolle Wendeltreppe mit den Bullaugenlichtern, die man anfassen konnte, das Glas war nämlich gar nicht heiß. Seit der Wende ist hier HUMANA eingezogen, der größte Altklamottenmarkt von Berlin, vier Etagen Lumpen. Interessante Kronleuchter gibt es, die doch etwas Edles sind, hier aber mit Leuchtstoffröhren bestückt, das muß der Geist der 50er gewesen sein, sparsamer Luxus. Im obersten Stockwerk gibt es eine kleine DDR-Ecke mit einem Polstersessel, auf dem ein Kissen mit selbst gehäkeltem Bezug liegt, vor psychedelischer Tapete. Rührend, wie hier mit coolen Vintage-Mitteln ein erbärmlicher Effekt erzeugt wird. Ich frage die Mitarbeiterin, woher sie weiß, was von den alten Klamotten aus der DDR sei, und sie ist erst etwas mißtrauisch, weil sie vielleicht denkt, ich zweifelte an ihrer Expertise. Aber dann erklärt sie mir, daß sie es am VEB-Schild erkennt (so langsam wird so etwas Banales ja zum Spezialwissen), und manchmal am "Waschschnipsel", mit blauer Schrift (was meint sie damit?) Und wenn ein Kleid einen Solidor-Reißverschluß hat, dann ist es selbst geschneidert und aus dem Osten. Durchs Fenster sehe ich auf meinen Schulweg und auf einen der Henselmann-Türme, in denen ich gerne wohnen würde. Zu Ostzeiten dachte ich, daß dort der Komponist Andre Asriel wohnte, von dem wir irgendein Stück im Musikunterricht besprochen haben. War das ein Gerücht? Jedenfalls war es klar, daß man Künstler werden mußte, um eine tolle Wohnung zu bekommen.

2 Kommentare:

SaroEngels hat gesagt…

Also, bei uns hiess der Platz gerade nicht Bersarinplatz sondern Bersarinplatz, und ich bin in der Rigaer aufgewachsen. Das ist zwar gerade nicht die russische Sprechweise, aber was solls. Konsum hat ja ebenfalls eine abweichende Betonung erhalten, insofern ist das hier nicht unmöglich ;-)

schmiddeschmidt hat gesagt…

Das interessiert mich, wann sind Sie denn in der Rigaer aufgewachsen? Ich bin dort zur Schule gegangen, kann mich aber nicht mehr erinnern, wie damals die Aussprache war. Vielleicht gab es beide Aussprachen? Im Bus wurde ja auch die Romain Roll-Land-Straße angesagt, aber, wenn man es besser wußte, hat man es halbwegs französisch ausgesprochen. Ich bilde mir auch ein, daß man damals Bulgakow richtig ausgesprochen hat, daß die generelle Anfangsbetonung russischer Namen eher im Westen üblich war.