Donnerstag, 26. November 2015

Neuruppin















Am Ortseingang von Neruruppin ein rostender Fortschritt-Mähdrescher, die großen Reifen platt. Das Erste-Qualität-Symbol. In der Pension hängen Werbewandkalender: "Huck - Hebebänder, Rundschlingen und Zurrgurte." Dieser tolle Spezialwortschatz der arbeitenden Bevölkerung. Im Neuruppiner Museum eine Ausstellung über ein Kinderferienlager des MfS in dieser Gegend, die Lageskizze des "Kinderspielplatzes" mit MG-Nest und Laufgraben. Da kann man froh sein, wenn die eigenen Eltern in einem normalen Betrieb gearbeitet haben. Nachts durch die Straßen, im Schaufenster eines Haushaltgeräteladens ein schöner, alter Omega-Staubsauger, von Wolfgang Dyroff gestaltet. Die Jugend trifft sich am Marx-Kopf, aber ob sie noch "Kofferheulen" haben, wie früher? Am nächsten Tag im Restaurant am Tempelgarten, mit historischem Wintergarten und sachlichem DDR-Anbau: "Auf den könnwa bei Feiern nicht verzichten." Eine Gruppe Rentnerinnen: "Nu sind die Blätter ja weg." "Also untern Birken lagen se so dick." "Ick hab janz schön zu tun jehabt." Auf der Karte steht: "Das Essen muß zuerst das Auge und dann den Magen erfreuen." Goethe, der war schon manchmal tiefsinnig. Hinter der Kulturkirche, der 1971 entwidmeten ehemaligen Pfarrkirche Sankt Marien, stehen noch drei Brandenburger Bushäuschen, von Schülern bemalt, wodurch die schönen Kacheln nicht mehr richtig zur Geltung kommen. Die Kirche ist nach dem großen Brand 1787 gebaut worden, der die Chance bot, die Stadt nach Prinzipien der Aufklärung, großzügige Straßen, Plätze für die Luftzirkulation, vielfältige Laubbäume, Bildung, Gewerbe, dezente Farbgebung, maßvoll zufriedene Bürger, zur "preußischsten aller Städte" wieder aufzubauen. Vitruv: firmitas (Dauerhaftigkeit), utilitas (Bequemlichkeit), venustas (Wohlgestalt). Alles heute bei Neubauten in der Regel vollkommen unbekannt. Katalog einer Moritz-Götze-Ausstellung mit Variationen des Peter im Tierpark-Bilds. "Ditt hing damals in jedem Kindergarten, in jedem Krankenhaus", wird mir versichert, aber ich weiß das ja noch, wir haben es in Zeichnen abgemalt. "In New York haben se dem die Bilder mit Haken aus de Wand jerissen, na ick hab zu Moritz jesagt, ditt is, weil die so bunt sind, und für die Amis sind ditt Comics", erfahre ich. Jemand hat ein Bild von einem blonden Mädchen am Strand gekauft, so mit rumliegender Coladose. "Für meine Tochter, wenn sie 18 wird, bei der im Zimmer siehts nämlich genauso aus", sagte der Käufer. Armin Müller-Stahl ist hier aufgetreten und hat Tom Hanks aus Berlin herantelefoniert. "Da mußte ick für den zum Bäcker, Tom ißt so jerne Streuselkuchen mit Füllung, wußtick ooch nicht."
Nach Kyritz, ein Trabi auf einem Metallmast, offenbar mit einem Storchennest auf dem Dach, der muß noch nachsitzen. Herrliche Schweiß-Zäune. Sonnenblumenmotive. Eine freiwillige Feuerwehr, Kinder haben eine Robur-Feuerwehr an die Wand gemalt. Das Agrarflugmuseum Kyritz hat leider schon zu, auf dem Gelände zwei Leipziger Peitschenleuchten mit kühn gebogenem Mast, noch nie gesehen. "Pferdedeckenreinigung" wirbt ein Schild in Gottberg. Ein Haus mit auffälligem Wellendach, von welcher DDR-Baustelle der Besitzer das wohl abgezweigt hat? In Dabergotz im Antikhof. Eine Zuckerzange mit Greifer haben sie leider nicht. Wie ordentlich das hier ist … "Ja, manche fahren mit dem Laster hinten ran und kippen einfach alles aus." Leider ist der einbeinige, silberne Aschenbecher nicht zum Verkauf.

1 Kommentar:

cins hat gesagt…

Hallo Jochen, schön war dein Besuch in unserer neuen oder doch alten Heimat. Die Stadt macht sich fein, und kein Stein soll mehr auf dem anderen sein, aber dennoch wissen wir woraus sie gemacht wurde. Komm mal wieder kicken, det wär dufte!