Samstag, 28. März 2015

Görlitz/Zgorzelec














Als ich Görlitz nach einer Katastrophenfahrt durchs Erzgebirge mit halbem Kreislaufkollaps und Nervenzusammenbruch erreiche, begrüßt mich auf dem erstaunlicherweise kostenlosen Parkplatz der riesige Schriftzug: "WÄHLT THÄLMANN!" Über die Reize des mittelalterlichen Görlitz muß man nicht mehr reden, "Aber Görlitz ist ja wirklich schön!", so ein Satz ärgert einen schon fast wieder, weil er so klingt wie: "Wenigstens sind die Beatles ordentlich angezogen." In der DDR-Zeit ist die Altstadt verfallen, und der "Flüsterbogen", den es hier am Markt gibt, und der tatsächlich funktioniert, war nur ein schwacher Trost für fehlende Telefone. Entsprechend beliebt ist auch heute noch das Neubaugebiet Königshufen, wer damals dorthin ziehen durfte, konnte sich glücklich schätzen und bleibt heute auch dort wohnen. Jeder hat schon einmal davon gehört, wie liebevoll die Görlitzer Altstadt nach der Wende renoviert worden ist, daß hier dauernd Hollywood-Filme gedreht werden, und daß "sogar" westdeutsche Rentner sich hier für ihren Lebensabend ansiedeln (Pensionopolis hieß die Stadt aber schon unter den Preußen, und bei einem Bevölkerungsrückgang seit der Wende von ca. 100000 auf 54000 Einwohner bräuchte man viel mehr davon.) Die Rettung der Altstadt wurde mit der fast kompletten Zerstörung der Industrie (Waggonbau, Textilindustrie, Frottana-Handtücher in Großschönau!) bezahlt und mit dem Weggang der Jugend. Im polnischen Teil der Stadt, jenseits der Neiße, herrscht dagegen Wohnungsmangel, hier gibt es junge Leute, und viele Polen, die in Deutschland arbeiten, wohnen inzwischen in Görlitz, weil es dort Wohnraum gibt. Die polnische Seite beeindruckt durch einen kaskadenartigen Plattenbaukomplex, der neuerdings schamvoll verdeckt wird von einer Altstadt-Imitation, die an die Ästhetik der deutschen Seite angelehnt ist. Aber man sieht die markanten Plattenbauten trotzdem immer in der Fluchtlinie der Görlitzer Straßen, und aus Prospekten des Tourismus-Büros werden sie schon mal rausretuschiert. Man sollte sie sich von nahem ansehen! Zur absolut schmucklosen Rückseite, die an ein Gebirgsmassiv erinnert, gehört immer die Vorderseite mit den bunten Balkons, die von ihren Bewohnern erzählen. Gleich auf mehreren Spielpätzen gibt es noch die schönen alten Stahl-Klettergerüste, die bei uns der TÜV auf dem Gewissen hat.

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